Kein guter Platz für Moby Dick - Lembata

In Larantuka, Flores' östlicher Hafenstadt, bestiegen wir die Fähre nach Lembata und kamen am frühen Abend in der Inselhauptstadt Lewoleba an; am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg nach Lamalera, ein Dorf, das für seine mutigen Fischer berühmt ist, die nach Kapitän Ahabs Art in kleinen Booten aufs Meer hinaus fahren und mit einfachen Harpunen auf Walfang gehen. Da sie durchschnittlich 20 Tiere pro Jahr erlegen und somit keine wirkliche Bedrohung für den Erhalt der Arten darstellen – ganz im Gegensatz zu ihren japanischen Kollegen – sind sie vom internationalen Walfangverbot ausgenommen. 
 
Der Weg dorthin führt über eine steile Rüttel-Schüttel-Piste bei der man nach dem aussteigen versucht ist nachzusehen, ob noch jeder Wirbel an der richtigen Stelle sitzt. Nur Lkws und Allrad-Fahrzeuge können die Strecke überhaupt bewältigen die in europäischen Maßstäben einem etwas breiteren Wanderweg entspricht.
Die Walfangsaison hatte im April begonnen und wir erfuhren, dass es den Männern vor einer Woche gelungen war, ein Tier zu erlegen. Abgesehen davon war es unüberriechbar, denn der Geruch von trocknendem Walfleisch hing über dem ganzen Dorf – lecker ist was anderes...
Ich hatte die irrige Annahme gehabt, das ganze von einem eher ethnologischen Gesichtspunkt betrachten zu können, musste aber dann für mich feststellen, dass ich wohl doch einfach eher traurig wäre, einen toten Wal zu sehen und nicht die Freude mit den Menschen über ihren Erfolg teilen könnte. Der servierte lumba-lumba (Delfin) zum Abendessen, der schon allein wegen des ekelerregenden Gestanks unessbar war, machte die Entscheidung, das Dorf schnell wieder zu verlassen noch einfacher. 
 
Am nächsten Tag setzten wir uns bereits wieder in den Rüttel-Schüttel-4x4 und zollten dem Fahrer unseren Respekt, denn die Rp. 25.000 pro Fahrt (ca. € 2, 30) sind wirklich hart verdient. Erst am späten Abend, gegen 22 Uhr, kamen wir in unser Losmen (einfache Pension) zurück, völlig erschöpft und vor allem hungrig. In Lewoleba waren schon die Bürgersteige hochgeklappt, d.h mit Essen sah es schlecht aus. Doch im Angesicht meiner Verzweiflung boten die jungen Frauen, nachdem sie unser Zimmer gerichtet hatten, an, uns noch Nasi Goreng (gebratenen Reis) zu brutzeln und organisierten von irgendwo her noch 2 Eier. Erst als wir vor unseren Tellern saßen realisierte ich, dass eine der beiden bereits ihren Pyjama an hatte – anscheinend hatten wir sie kurz vor dem Schlafen gehen noch angetroffen. So herzig! Kein Murren, kein Augen verdrehen, was will denn diese bule (indonesischer Ausdruck für westlichen Ausländer) jetzt noch, sondern einfach nur hilfsbereit, freundlich, einfach der Wahnsinn.
Die wöchentliche Fähre nach Alor hatten wir am Vortag wegen einer Reifenpanne gerade verpasst – was tun? Der Besitzer vom Losmen telefonierte ein wenig herum und präsentierte uns schließlich seine Lösung: am nächsten Tag würde von Balauring, einem anderen Hafen, ein Schiff nach Alor auslaufen. Der Busfahrer wisse bereits Bescheid und würde uns abholen. Außerdem habe Captain Lukas angeboten, dass wir auf seinem Schiff schlafen können – diese Chance mussten wir nutzen! So saßen wir bald darauf im Bus und waren auf der nächsten Rüttel-Schüttel-Piste (nur diesmal nicht ganz so steil) unterwegs, an Eukalyptus Bäumen vorbei und schließlich mit einer tollen Aussicht über die Bucht von Balauring. Als ich begeistert meinen Fotoapparat zückte, hielt der Fahrer den Bus an, einfach so, ohne dass ich etwas gesagt hätte, damit ich besser fotografieren konnte und brachte uns direkt aufs Pier. Unsere Rucksäcke wurden abgeladen und gleich aufs Boot gebracht – und da waren wir.

Leon, der Bruder des Captains, holte uns ab und brachte uns ins Haus der Schwägerin, wo wir super süßen Tee serviert bekamen – geschätztes Verhältnis Wasser, Zucker 1:1 – und aufgefordert wurden, beim Brot kräftig zu zulangen. Anschließend tauchte auch unser Kapitän auf, mit glasigen Augen vom Toddy (Palmwein) Genuss. Eieiei, dachte ich mir und war erleichtert zu erfahren, dass auch Leon mit auf die Reise gehen würde, der mir einen seriöseren (sprich: nüchterneren) Eindruck machte. Anschließend ging es los zu einem ausführlichen Rundgang durchs Dorf, bei dem wir jedem Einwohner vorgestellt und von einer charmanten Kinderhorde verfolgt wurden. 
Ich fands wunderbar und auch der Bernie hatte seinen Spaß. Zurück bei der herzlich-energischen Schwägerin 'mussten' wir dann Mandi machen (indonesische Form des Duschens; dabei schüttet man sich mit einer Schöpfkelle großzügig Wasser aus einem Bassin über den Körper – herrlich erfrischend!) und versprechen, am nächsten Morgen zum Frühstück und nochmaligem Mandi vor unserer Abreise wieder vorbei zu kommen.
Wieder zurück auf dem Boot wurde für uns auf dem Deck eine Matte und Kopfpolster ausgebreitet, und wir konnten ein wenig rasten während der Fisch fürs Abendessen gefangen wurde. 
 
Gegen acht Uhr wurden wir dann in den hinteren Bootsteil gebeten, auf eine Plattform die mit Karton ausgelegt war auf dem schon zahlreiche Dieselflecken waren. Es roch auch stark nach Diesel und zwischen den Kartonritzen flitzten die Kakerlaken herum – ich war so stolz, dass mir Reis und Fisch dennoch mundeten. Und war sehr froh, dass mir der Bernie erst im nach hinein berichtete, dass eine riesige Ratte aus dem Maschinenraum kommend über die Plattform direkt hinter meinem Rücken vorbei gelaufen war.

Um 6 Uhr morgens bei der Schwägerin: Mandi, super süßer Tee und ganz frische, heiße Pisang Goreng (gebratene Bananen). Ich wurde geküsst und gedrückt und musste versprechen, beim nächsten Mal bei ihr im Haus zu übernachten.

Um ½ 8 stachen wir in See, mit einem etwas verkaterten, nicht lächelnden Captain Lukas, Leon und noch einem Bootsmann. Außer uns gab es nur noch drei weitere Passagiere, eine Mutter mit ihren Kindern, da wir auf einem kleinen Cargo-Boot unterwegs waren. Wir verließen die Bucht von Balauring, schipperten am rauchenden Vulkan Ili Api vorbei und gelangten aufs offene Meer. Die Küste war zwar nicht weit, aber auf dem kleinen Boot war jede Welle zu spüren, womit es auch mit mir vorbei war. Schlecht, schlechter, bis ich mich über die Reling beugen musste, was dem bis dahin griesgrämig drein blickenden Captain Lukas einen breiten Grinser entlockte. Na schön, zumindest für etwas gut.
Für mich ging es eher darum, die Fahrt irgendwie zu überstehen: acht Stunden Überfahrt können lang sein! Doch der Bernie konnte das Meer in allen seinen Farbschattierungen und die Fahrt vorbei an weißen Sandbänken richtig genießen.
Am Nachmittag liefen wir in die Bucht von Kalabahi ein und es wurde Zeit, sich von unserer Crew zu verabschieden. Noch geschwind über ein anderes Schiff geklettert, da wir in zweiter Reihe angelegt hatten, und die trockene Hitze Alors umschlang uns mit großen, heißen Armen.

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