Da die burmesische Menschenrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi Mitte der neunziger Jahre dazu aufgerufen hatte, aus Protest gegen die seit 1962 andauernde Militärdiktatur den Tourismus zu boykottieren, hatten wir einen Besuch in Myanmar für uns stets ausgeschlossen. Doch 15 Jahre später sind die Generäle immer noch an der Macht (die Wahlen im November 2010 waren mal wieder rein pro forma) und wir beschließen, uns ein eigenes Bild von dem isolierten Land zu machen, welches man - obwohl es Ländergrenzen mit Bangladesh, Indien, China, Laos und Thailand hat - nur mit dem Flugzeug erreichen kann, da die meisten Grenzgebiete Sperrzone sind.
Das klingt eigentlich alles eher abschreckend, nicht wahr? Doch ausnahmslos jeder Reisende, der von dort zurück kommt berichtet mit leuchtenden Augen von den freundlichen Menschen und je mehr ich las, umso neugieriger und aufgeregter wurde ich.
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Buddhistische Nonnen in Yangon |
Unser Flug ging nach Yangon (ehem. Rangun) und bereits die Taxifahrt mit einem der klapprigsten Autos, in denen wir je gesessen haben, brachte uns bereits ins Staunen. Geographisch gehört Myanmar noch zu Südostasien, doch fühlte es sich an als seien wir bereits auf dem indischen Subkontinent gelandet: die schlechten Straßen, die Betelnussverkäufer an jeder Ecke (und die dazu gehörigen roten Flecken vom ausspucken auf dem Boden), die imposanten Kolonialgebäude aus der Zeit des British Empire - ja es roch sogar nach Indien.
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Shwedagon Pagode in Yangon |
Unser erster Gang führte uns auf den Bogyoke Aung San Markt, wo neben Alltagsgegenständen und Souvenirs der Schwarzmarkt zum Geld wechseln blüht, da die Banken einen miserablen Kurs geben. Das zugezischte „change money, change money?“ hatte etwas konspiratives, was mich sehr amüsierte. Das Erkunden der Stadt war so spannend, dass ich oft völlig vergaß auf den Verkehr zu achten und der Bernie gut damit beschäftigt war Zusammenstöße zwischen mir und anderen Verkehrsteilnehmern zu verhindern. Zwei Augen schienen mir kaum genug, um alles aufzunehmen: die kleinen Cafes und Essensstandl auf dem Bürgersteig, wo man auf winzigen Hockern sitzend seine Mahlzeit einnimmt; die unterschiedlichen longyis (Wickelröcke) der Frauen, die oft mit dazu passenden Blusen getragen werden und so elegant wirken; die Eiswasserverkäufer; Essen, das auf einem mit Holz beheizten Ofen zubereitet wird; Marktfrauen, die ihr Obst und Gemüse in Körben tragen, die jeweils an einem Ende der Bambusstange hängen, die auf der Schulter balanciert wird; die vielen Menschen, die uns zulächeln oder grüßen...
Am Abend gehen wir zum Fluss, wo sich die Liebespaare zum Händchen halten treffen und beobachten, wie die Sonne als roter Ball im blauen Dunst versinkt.

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Die charmanteste Postkarten-Verkaeuferin Bagans (Mitte) |
Die Einheimischen waren überwältigend, wir fühlten uns soo wohl! Es waren so viele Kleinigkeiten, die das Ganze ergaben: als wir uns zum Sonnenaufgang wecken ließen, standen beim vor die Tür treten bereits unsere Fahrräder (in Fahrtrichtung!) bereit; im Restaurant nebenan wurde für unsere Taschen stets ein Stuhl geholt, damit sie nicht auf dem staubigen Boden stehen müssen und nach den köstlichen und großen Portionen gab es stets noch eine Obstplatte und Süßes auf Kosten des Hauses; Kinder winkten uns lächelnd zu was in ein Strahlen überging, wenn wir zurück winkten und Babys auf den Armen ihrer Eltern wurden bereits dazu angehalten; ein Guesthouse-Besitzer, der sämtliche Hotels in Bagan durch ruft, weil jemand bei ihm eine Kamerahülle liegen gelassen hat; Souvenirverkäufer, die sich höflich von einem verabschieden wenn man nichts kaufen will und noch einen schönen Tag wünschen – wo gibt’s denn bitte sowas?!
Das waren unsere ersten Eindrücke von Myanmar und sie sollten für die gesamten vier Wochen unserer Reise stehen, eine Wohltat für die Seele und wirklich das Gefühl sich als Gast zu fühlen, wie wir es sonst nur aus muslimischen Ländern kennen. Dazu kam noch die „Entschleunigung“: in einem Land, wo Pferdefuhrwerke und Ochsenkarren ein übliches Transportmittel sind und selbst die Überland-Busse aufgrund der schlechten Straßen ein gemütliches Tempo drauf haben, kann man entweder völlig genervt sein, weil man sich zu viel vorgenommen hat und das Programm unmöglich durch zu ziehen ist. Oder man gibt sich dem ganzen hin und taucht in eine Zeit ein, die der unsrigen vor ca. 70 Jahren entspricht. Für uns traf letzteres zu und ich empfand es als reine Wohltat.
Da wir uns mit den Aussies und Alessandro so fabelhaft verstanden, beschlossen wir gemeinsam einen Trek zu gehen und änderten kurzerhand unsere Reiseroute. Um 3.30 morgens holte uns der Bus ab und wir verabschiedeten uns herzlich von unseren Gastgebern, die uns noch das Frühstück für die Reise eingepackt hatten.
Die Sitze in diesem Bus waren noch ein wenig enger als im vorherigen, doch zum Glück hatten wir welche in der letzten Reihe mit etwas mehr Beinfreiheit ergattert. In der letzten Reihe? Nicht in einem burmesischen Bus, der nicht voll ist, nur weil alle Sitzplätze besetzt sind. Denn als der Gang mit Passagieren auf kleinen Hockern ausgefüllt war, kletterten weitere durch das hinterste Fenster hinein um sich hinter uns auf der Ablage zu positionieren.
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JETZT ist der Bus erst voll! |
Mit gebrochenen Stoßdämpfern schaukelten wir durch Schlaglöcher und kurvige Landschaften und kamen in in ein Gebiet, wo es uns vor Schock die Sprache verschlug: auf Hügeln und Bergen kein einziger Baum, nur Stümpfe so weit das Auge reicht, eine richtig gehende Wüstenlandschaft – und das über Stunden. Dafür sahen wir gefällte Baumstämme in riesigen Lagern, bereit zum Abtransport: eine der Einkommensquellen für die Junta, die sich nicht um morgen schert sondern nur darauf bedacht ist, heute ihre Taschen zu füllen. Am Straßenrand Arbeiter, die quasi in Handarbeit die Straßen reparieren, überwiegend Frauen, die Steine schleppen und gleichmäßig auf dem Boden verteilen, die Männer hängen am Berg und schlagen nur mit Muskelkraft Felsstücke heraus, Familien, die in staubigen Hütten ihr Leben fristen – die pure Armut.
Nur 10 Stunden später kamen wir in Kalaw an, dem Ausgangsort für den Trek zum Inle Lake. Da unsere Freunde nicht mehr so viel Zeit hatten, suchten wir uns am gleichen Abend einen Guide und am nächsten Morgen ging es bereits los. Um den Ort herum gab es noch einiges an Bäumen, was wir sehr genossen und wanderten auf und ab durch den Wald und durch Reisfelder. Dann gab es aber auch wieder karge und abgeholzte Gegenden, wo Teeanbau betrieben wird; unsere Mahlzeiten nahmen wir in Privathäusern ein und eine Nacht verbrachten wir in der Gebetshalle eines Klosters, in welcher die Katzen spielten und der Abt gemütlich seine cheroot (burmesische Zigarre) rauchte.
Die dreitägige Wanderung unter der heißen Märzsonne verlangte uns einiges ab und verursachte an meinen Füßen so unglaubliche Blasen (und damit Schmerzen), dass Tuarn sie fassungslos fotografierte und ich nach der Hälfte in meinen Flip-Flops weiter ging.
Völlig erschöpft gelangten wir am dritten Tag ans südöstliche Ufer des Inle Lakes von wo aus wir in einer einstündigen Bootsfahrt nach Nyaung Shwe übersetzten.
Dort war erstmal Erholung angesagt: ich brauchte zwei Tage, um wieder einigermaßen laufen zu können, denn zu den Blasen von den Trekking-Schuhen (die ich gerne unserem Guide überließ) waren noch weitere von den Flip-Flops dazu gekommen! Schon wieder hatten wir Glück mit unserem Guesthouse, das von einer ganz reizenden Familie geführt wurde, wo wir uns sehr wohl fühlten.
Dann hieß es Abschied nehmen von Kat und Tuarn, die sich auf den Weg nach China machen würden und Alessandro, der bald wieder in Rom sein wird: es war eine ganz spezielle Zeit mit ganz besonderen und interessanten Menschen, jeder respektvoll im Umgang miteinander und mit den Einheimischen, auf einander achtend und füreinander sorgend, verbunden mit Herzlichkeit und viel Lachen!
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Gute Reise Ale, Kat und Tuarn! |
Für uns ging es nach Mandalay, eine Stadt deren Name zum Träumen anregt doch die Realität kann damit nicht mithalten: viel Verkehr und Smog, nichts zu sehen und vor allem kein Vergleich mit dem charmanten Yangon. Am liebsten wären wir sofort weiter gefahren, doch weil wir schon mal da waren, machten wir eine Tour zu den Sehenswürdigkeiten, die allesamt außerhalb der Stadt liegen – und waren letztendlich sehr froh!
Wir hatten uns ein Taxi gemietet, der Fahrer war nett und die Klöster sehenswert, wobei mich allerdings der Besuch in einer Seidenfabrik, wo die Stoffe handgewebt werden, am meisten fasziniert hat.
Direkt verstörend war für mich jedoch der Besuch der Mahamuni Paya (Pagode), wo die Haupt-Buddhastatue mit einer 15cm dicken Blattgold-Schicht überzogen ist, ebenso wie die gesamte Decke und die Säulen vor Gold glänzen. Die Menschen haben nicht mal fließend Wasser und müssen sich und ihre Wäsche an einem Brunnen waschen – und das mitten in Mandalay, was für ein Kontrast!
Mit dem Zug – einem britischen Vermächtnis, wobei die Wagons noch aus der Zeit des Empire zu stammen schienen - ging es dann hinauf in die Berge. Die Fahrt dauerte zwölf zähneklappernde Stunden, da es in der Nacht geregnet hatte und es mit den offenen Fenstern bitter kalt war und war weit weniger spektakulär, als im Reiseführer beschrieben.
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Seit Stunden haben die Frauen auf die Ankunft des Zuges gewartet, um ihre Waren zu verkaufen |
Hsipaw ist ein gemütlicher Ort, von wo aus auch viele Leute trekken gehen. Nun ja, das hatten wir ja schon gehabt doch wir hatten in anderer Hinsicht Glück: gerade zu der Zeit fand in einem nahe gelegenen Ort eine pwe (ein religiöses Fest in den Tagen vor und an Vollmond) statt. Das Gelände um die Pagode herum war großflächig mit diversen Standln bedeckt (wer den Adlwanger Kirchtag kennt: so in etwa, nur auf burmesisch): Kleidung und chinesisches Plastikgeschirr, Spielzeug und Opferwaren, Zelte mit Mönchen und Nonnen und natürlich gaaanz viele Essensstandl, die aber so exotisch, dass es selbst bei mir nur zum Maiskolben reichte.
Am interessantesten für uns war, die Menschen der verschiedenen Bergstämme zu beobachten, die zu diesem Anlass aus der ganzen Gegend zusammen gekommen waren. Und umgekehrt waren wir es für sie! Viel Staunen und neugierige Blicke auf beiden Seiten.
Von Beginn der Reise an hatte mich der Golden Rock in den Bann gezogen, fünf Busstunden südöstlich von Yangon gelegen und einer der drei heiligsten Orte des Landes. In einer 22-stündigen Busfahrt gelangten wir vom Norden über die Hauptstadt nach Kinpun, dem Tor zum Mount Kyaiktiyo auf dem der güldene Fels balanciert. Bereits vor Sonnenaufgang bestiegen wir die Ladefläche eines Lastwagens die mit Sitzbrettern ausgestattet ist und fuhren mit ca. 50-60 euphorischen Pilgern die einspurige Straße den Berg hinauf. Dabei ging es auch immer wieder mal ein Stück hinab, was auf dem offenen LKW einer Achterbahnfahrt glich und von den Einheimischen mit entsprechendem Juchzen und Gelächter begleitet wurde. Eine schöne Stimmung, langsam wurde es immer heller und – Entzücken auf unserer Seite – wir konnten sehen, dass wir durch grüne Hügel fuhren, ja es sah sogar in großen Teilen nach ursprünglichem Regenwald aus. Was für ein schöner Abschluss unserer Reise!
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Der Golden Rock auf dem Mount Kyaiktiyo |
Von der 'Mittelstation' gingen wir dann noch eine Stunde zu Fuß weiter hinauf, an Ständen vorbei wo es die üblichen Devotionalien zu kaufen gibt (Rosenkränze, Golden Rock in Minaturausführung, Heiligenbilder etc.) aber auch traditionelle Medizin, mit Ziegenbockköpfen und getrockneten Schlangen neben dran und allerhand Schießzeug: Revolver, Gewehre und Raketenwerfer alles aus Bambus hergestellt. Und gerade bei den Mönchen ein großer Renner...
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Moenche sind eben auch nur Menschen... |
Die Stimmung unter den Pilgern war froh und feierlich nur ich war erstmal unglaublich erzürnt, weil auch hier (so wie bei der Shwedagon Padagoge in Yangon und der Mahamuni Pagode in Mandalay, den beiden anderen wichtigsten Pilgerorten) es den Männern vorbehalten ist sich dem Heiligtum ganz zu nähern und es mit Blattgold weiter zu veredeln. Die Beschneidung der Rechte der Frauen (und das im Buddhismus, der im Westen immer mehr an Beliebtheit gewinnt!) die noch dazu so hart arbeiten, bringt mein Blut immer noch in Wallung.
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Eine junge Burmesin, die dem "Ladies not allowed" Schild trotzt |
Zurück in Yangon genossen wir nochmal diese vielfältige Stadt, gingen lecker essen und Cappuccino trinken, saßen am Fluss und die Susi ging noch ein bisschen die burmesische Wirtschaft ankurbeln.
Nach genau vier Wochen hieß es dann Abschied nehmen von einem isolierten Land in dem sich die Leute bei uns bedankten, dass wir gekommen sind; von den liebenswürdigsten und ehrlichsten Menschen Südostasiens; allerdings auch von der schlechtesten Küche (denn alles was nach Yangon und 'unserem' Restaurant in Bagan gekommen war ließ uns ins kulinarische Träumeland flüchten); und von einer Natur die so rücksichtslos ausgebeutet wird, wie die ärmsten der Armen.
Tsche-zu-tin-ba-deh – vielen Dank ihr Menschen in Myanmar für die wunderbare Zeit, die Ihr uns bereitet habt; danke, dass wir uns als Eure Gäste fühlen durften.
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