Grüner Tee und verwinkelte Dörfer, weiße Berge und tiefe Schluchten, bunte Gebetsfahnen und goldene Tempeldächer – willkommen in der wunderbaren Vielfalt Yunnans!


Unsere Einreise nach China verzögerte sich etwas, da mich ein hartnäckiger und heftiger Husten drei Wochen lang sehr schwächte und ich die meiste Zeit nur liegend verbringen konnte. Im Norden Thailands überquerten wir den Mekong und reisten nach Laos ein wo es noch ein paar Tage dauern sollte, bis ich endlich wieder reise fähig war.
Und dann war es so weit! Anfang Mai stiegen wir in Luang Nam Tha in den Bus, der uns über die Grenze und weiter bis nach Jinghong, im südlichen Yunnan gelegen, bringen sollte. 

Endlich geht's nach China!
Die ökonomische Kluft zwischen beiden Ländern zeigte sich bereits an der Grenze: auf der laotischen Seite ein einfacher einstöckiger Bau, an dem die Formalitäten erledigt werden – bei den Chinesen ein imposanter, einschüch-ternder Riesenklotz in dem die Immigration-Halle Flug- hafen Ausmaße hatte. Die sich um Berghänge winden- den, schmalen Straßen an die sich Bergdörfer schmie- gen ließen wir auch sofort hinter der Landesgrenze: nun ging es auf einer mehrspurigen Autobahn dahin, auf Brücken die Täler überspannen und unzählige Tunnel die Berge durchqueren. Und da bekamen wir das erste Mal ein Gefühl von der Wirtschaftswundermacht Chinas.

Chinesische Grenzstation in Mengla - imposant, nicht?
Dann die Ankunft in unserer ersten chinesischen Stadt! Mit meinen ersten Brocken Mandarin mit der Tuk-Tuk Fahrerin den Preis von der Busstation in die Stadt verhandelt, ein Zimmer in einem Hotel und leckeres Essen gefunden – uff!! Gerade in den ersten Tagen löste jede geglückte Kommunikation ein Hochgefühl aus das mich jubeln ließ - „sie hat mich verstanden, sie hat mich versta-han-den!“ - hatten wir doch genug Geschichten von China-Reisenden gehört, die vor unüberwindbaren Sprachbarrieren gestanden hatten und dass in diesem Land des Englischen fähige Einheimische eine Rarität sein sollten.
Der Umschlag meines Sprachführer ist in goldener Farbe gehalten, und ja, er ist mein „goldenes Buch“ und wird gehütet wie sonst nur der Reisepass und die Geldmittel!

Neben der Sprache hatten wir uns auch Gedanken wegen des Essens gemacht: unsere Erfahrungen beschränkten sich auf China-Restaurants in Europa (nicht besonders gut) und chinesisches Essen in Malaysia, um das wir immer einen großen Bogen gemacht hatten. Gekochtes oder gebratenes Fleisch am Knochen belassen und einfach in Stücke gehackt; schleimige Nudeln in Glutamat-Sauce; undefinierbare Innereien... brrrrr. Dennoch schwärmten uns Menschen die China bereist hatten - und die wir so gut kannten, dass wir ihre Geschmacksnerven nicht in Frage stellten – von dem köstlichen Essen vor! Hm, klang unvereinbar für uns.

Auch dem Bernd schmeckt's - so ein Glück!!
Doch seit unserer ersten Mahlzeit können wir erleichtert sagen: die Reisenden hatten recht – und die Hokkien-Chinesen in Malaysia können einfach nicht kochen (oder haben einen sehr seltsamen Geschmack). Das Essen ist frisch und gut gewürzt, das Gemüse knackig, Fleischgerichte enthalten keine widerlichen Bestandteile und: es ist günstig!

Den neben Sprache und Essen hatte uns kurz vor der Einreise ein weiterer – letzter – Punkt beunruhigt: im Wirtschaftswunderland sind nämlich in den vergangenen Jahren (manche sagen, seit den olympischen Spielen) die Preise gewaltig nach oben gegangen. Im speziellen die Eintrittspreise, die liegen zwischen Y 80–150 (also € 8-15) und werden nicht nur für berühmte Sehenswürdigkeiten verlangt, sondern auch für kleinere Tempel und Museen und – was den Bernie besonders entzürnt hat – auch für die Natur: auch um auf einen Berg oder durch eine Schlucht zu gehen muss man in China löhnen! Die erste Busfahrt war auch gleich mal ziemlich teuer und die Doppel-Zimmer in Hostels (wo die Angestellten Englisch sprechen die einem auch ein paar Auskünfte geben können und man andere Traveller trifft) liegen mit $ 20 weit über unserem Budget.

Doch auch das hat sich relativiert: wir schlafen nun immer in sogenannten „chinese hotels“, wo kein Englisch gesprochen wird, was jedoch dem Fortschritt meines Mandarins gute Dienste leistet! Die Zimmer waren bis jetzt immer sehr sauber, groß und oft schön, mit Bad und sogar mit Wlan – und das alles für die Hälfte des Hostelpreises.
Und die Eintrittspreise haben wir uns bislang meistens gespart, da es für uns bereits gratis so viel interessantes zu sehen gibt, dass wir bestens unterhalten und fasziniert sind.

Yunnan ist die Provinz mit der größten Vielfalt an ethnischen Minderheiten, für die ihre traditionellen Trachten Alltagsgewänder sind. So gibt es allein schon bei einem Spaziergang durch die Orte oder einem Marktbesuch für uns viel zu staunen: in winzige Falten gelegte, lange, bunte Röcke; Schürzen mit bestickten Bändern; mit Bändern verzierte Kopfbedeckungen aus Samt oder kleinem Kreuzstich kunstvoll bestickte Tücher schützen vor der Gebirgssonne. 

Frauen aus dem Bergvolk der Yi beim Besuch des Freitagsmarkts in Shaxi
Doch nicht nur wir staunen, auch wir werden oft genau betrachtet und wirken exotisch, denn die überwiegende Mehrheit der Touristen besteht aus Han-Chinesen, aus Beijing, Shanghai oder sonst wo her. Die paar laowai (Westler) gehen da völlig unter; was sehr angenehm ist, denn dadurch konzentrieren sich die Verkaufsbestrebungen völlig auf die einheimischen Touris. Lustige Momente ergeben sich, wenn wir als Studien-Objekt für die Dörfler dienen und z.B. ganz nah zu unserem Tisch gekommen und unser Frühstück begutachtet wird: „Was essen die denn da – Eier und Toastbrot? Sehr seltsam, die sollen doch besser eine Nudelsuppe essen, das wäre viel besser! Diese laowei...“ So oder so etwas ähnliches denke ich mir, dass ihnen dabei durch den Kopf geht!

Nach langer Zeit mal wieder die gute Darbo...
Nach den letzten Monaten Südost-Asien mit schwüler Luft und ermüdenden Temperaturen zog es uns bald hinauf in die Berge. Eine 14-stündige Busfahrt brachte uns nach Xiaguan (genau, davon hatten wir auch noch nie gehört) einer der wohl unzähligen gesichtslosen Mega-Städte, von wo aus wir mit dem modernen Stadtbus incl. Werbefernseher nach Dali weiter reisten, einer ehemaligen Königsstadt mit Stadtmauern und Toren, wobei wir jedoch bei genauerem Hinschauen feststellen mussten, dass dort das wenigste alt, sondern „auf alt gemacht“ ist. Egal, die Lage ist schön, im Westen erheben sich die Berge im Osten liegt der Er Hui, einer der größten Seen Chinas und es gibt Bäckereien die richtige Semmeln und Brot - und nicht einen asiatischen-süßen Abklatsch davon – backen: sooo lecker!
Nach ein paar Tagen war es dann genug Disneyland-Feeling und wir verabschiedeten uns von den herzlichen Hotelbesitzern, die uns noch zur Bushaltestelle brachten und dem Fahrer ein schärften, wo er uns aussteigen lassen soll. 

Chinesische Touristin in lokaler Tracht
Eine gemütliche Fahrt durch die Berge mit einem Busfahrer der davon ausgeht, dass es ein morgen geben wird, an Dorfhäuser vorbei an deren Hausmauern kommunistische Parolen gesprüht sind und über Getreide das auf der Straße liegt, damit die darüber fahrenden Autos die Körner lösen. Nach insgesamt 7 Stunden Fahrt erreichten wir unseren bisherigen Traumort: Shaxi oder die Entdeckung der Langsamkeit.
Auf der einstigen Teekarawanenroute von Yunnan nach Tibet gelegen, ist Shaxi das einzig erhaltene Dorf aus dieser Zeit und wurde vor einigen Jahren im Rahmen eines Projekt der Züricher Universität renoviert – und das sehr stilvoll! Man fühlt sich um ein- bis zweihundert Jahre zurück versetzt wenn man über die Kopfstein gepflasterten Wege geht an denen entlang der Bach plätschert, an aus Lehm und Strohziegeln gebauten Häusern mit Holzfront und geschnitzten Fenstern vor denen alte Männer im Blaumann sitzen und einen Ratsch halten. 

Tor in Shaxi
Wir stellten fest, dass es auch in China bereist großstadtmüde Städter gibt, die auf dem Land das Glück im einfachen Leben suchen. Im Old Tree Café auf dem alten Marktplatz gab es einen wunderbaren Cappuccino, so dass wir uns dort mindestens einmal täglich einfanden. Aber auch das Rentner-Ehepaar aus Shenzhen (bei Hongkong) die das Café betreiben mit ihrer freundlichen Art, ihrem lieben Lächeln und ihrer Bemühtheit uns den besten Service angedeihen zu lassen waren ein Anziehungspunkt für sich. Über der Kaffee-Maschine hängt ein Schriftzeichen in Holz geschnitzt das mir sehr gut gefiel und ich fragte die Besitzerin was es denn bedeute. 

Mit ihrem begrenzten Englisch fiel es ihr schwer, das so genau zu erklären wie sie es gewollt hätte, meinte aber dann es bedeute „nichts tun“ und stehe für ihr derzeitiges Leben. Wie, meinte ich, aber sie haben doch sieben Tage die Woche, von 7 Uhr bis 22 Uhr geöffnet – sie habe doch viel Arbeit? Ach, das sei doch nichts... Hier seien sie so glücklich, genießen die klare Luft, ihren Hund und ihre Katze, die Pflanzen im Hof und vor allem: keinen Stress mit der Arbeit und keinen Chef! Das sei doch schon nichts tun...

Tagsüber schlenderten wir durch die Gassen, vorbei an den Omas mit den Enkeln im Tragetuch auf dem Rücken gebunden, wanderten durch die Reisfelder oder genossen die Sonnenstrahlen auf der Terrasse. Abends fanden wir uns dann bei Allen ein, der aus Chengdu stammt, schon viel von der Welt gesehen hat und sich mit seinem Lokal ebenfalls in Shaxi nieder gelassen hat. Dort saßen wir mit chinesischen Backpackern zusammen die gut Englisch konnten, tranken Bier und unterhielten uns über alles mögliche, auch über die nicht vorhanden Meinungsfreiheit. 
Gemeinsames kochen

Ein ehemaliger Journalist war auch immer dabei, der die Medienwelt bereits mit Anfang 30 hinter sich gelassen hat, weil er die ganzen Lügen nicht mehr ertrage, sein Herz sei ganz schwarz geworden, wie er es ausdrückte. Nun wolle er Bauer werden, mit seiner Hände Arbeit ehrliches Geld verdienen und ein Teehaus aufmachen. Doch abgesehen von diesen ernsten Themen wurde an diesen Abenden vor allem eines viel: viel gelacht!

Nach 9 Tagen war es dann doch an der Zeit weiter zu ziehen und nach einem Abstecherr nach Lijiang – wunder-wunderschöne Altstadt aber unerträglichüber kommerzialisiertt mit 5 Mio. Touristen pro Jahr: wie viel hat im Vergleich dazu Salzburg?! - erledigten wir dort nur geschwind unsere dringenden Einkäufe und fuhren umgehend nach Qiautou weiter: dem Tor zur „Tiger Leaping Gorge“, eine der tiefsten Schluchten weltweit gesehen, durch die sich der Yang Zi - mit 4000km der längste Fluss Chinas - schlängelt.

Es regnete und hörte wieder auf. Und es nieselte und der Himmel blieb dunkel. Und die Wettervorhersage sagte für die nächsten 5 Tage Regen voraus – was tun?
Nicht verzagen und trotzdem gehen!
Am ersten Tag wurden wir ein bisschen an getröpfelt, verbrachten den regnerischen Nachmittag im Guesthouse und bekamen am Abend ein wunderschönes Wolken-Sonnenspiel über den schneebedeckten 5000er Gipfeln geboten. 

Am nächsten Morgen war es bewölkt, ideal für den steilen Anstieg, der uns auf 2760m führen sollte. Anschließend ging es sehr lange an den Berghängen entlang, die sich immer mehr für Blicke ins Tal öffneten, die Sonne brach durch und wir hatten auf einmal herrlichstes Wanderwetter!

Und nun sind wir seit ein paar Tagen auf 3300m in Zhongdian, welches vor 10 Jahren aus werbewirksamen Gründen in Shangri-La umgenannt wurde – hört sich doch gleich besser an, oder? Die Tibeter bilden hier bereits eine große Minderheit: steile mit Felsbrocken gepflasterte Gassen führen durch die Altstadt, die Häuser sind mit viel Holz und bunten Kissen ausgestattet, die Gebetsfahnen flattern im Wind und auf den umliegenden Hügeln stehen die gompas, die tibetischen Klöster. 

Yak-Steak, Buttertee und momos sind auf den Speisekarten zu finden, Frauen in bunten Trachten und Männer mit Cowboy-Hüten und Gebetsketten zwischen den Fingern sind häufig in der Stadt anzutreffen, besonders am Abend, wenn sich Jung und Alt, ob Marktfrau oder trendiger Teenager zum Kreistanz auf dem Marktplatz einfinden. Dann fetzt die tibetische Pop-Musik aus den Lautsprechern, Arme wirbeln und die Schritte folgen einer genauen Choreographie.



Für uns geht es nun immer weiter hinauf, in den Norden und in die Berge, über welche hohe Pässe führen.

Yunnan war eine sehr positive Überraschung für uns: freundliche, hilfsbereite Menschen, traumhafte Natur, gutes Essen (ohne Koriander!), interessante Ethnien, eine heraus-fordernde Sprache und zu guter Letzt doch leistbar.
Was wohl Sichuan für uns bereit halten mag?

Bis dahin: Tashi delek (tibetisch für „pfiat eich und machts es guad“)


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