Nachdem wir uns in Penang kulinarisch von Nusa Tenggara aufgepäppelt hatten, ging es nach Sumatra, wo wir es nach der vorherigen Inselhopperei zur Abwechslung ganz gemütlich angehen wollten. Zu aller erst zog es uns nach Pulau Weh, dem Ort wo wir uns vor 13 Jahren kennen und lieben gelernt hatten – würde er sich sehr verändert haben? Und würden wir auf bekannte Gesichter stoßen?
Doch um auf die kleine, vorgelagerte Insel zu gelangen, mussten wir erst einmal Banda Aceh anfliegen, die Stadt, die 2004 so gut wie vollkommen vom Tsunami zerstört worden war. Die Bilder von den Wassermassen - die Menschen, Tiere, Autos durch die überschwemmten Straßen rissen; Leute, die sich auf die Dächer der wenigen noch stehenden Gebäude geflüchtet hatten - noch im Kopf, fuhren wir mit dem Taxi in die Stadt. Und waren sprachlos: nach 5 ½ Jahren erinnert kaum mehr etwas an die Katastrophe. Banda Aceh ist komplett wieder aufgebaut und nun eine der schönsten indonesischen Städte – die meisten san ja eher schiach – die wir gesehen haben.
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Generator-Schiff in mitten der Stadt |
Wir fuhren an einem Massengrab vorbei, das mit einer riesigen Wellenskulptur deutlich macht, wie es entstanden ist, und wir besuchten ein gigantisches Generator-Schiff, das von der Flutwelle 4km in die Stadt hinein gespült wurde. Insbesondere letzteres lässt die Macht dieser Naturgewalt noch im nach hinein deutlich spüren und wie ausgeliefert wir kleinen Menschlein dem gegenüber doch sind.
Vom niegelnagelneuen Hafen fährt mittlerweile auch ein Schnellboot in 45 Minuten auf Pulau Weh, doch wir wählten die uns vertraute Fähre und tuckerten in 2 Stunden gemütlich hinüber. Dann noch mit dem Taxi über eine nun gut geteerte aber freilich noch genauso kurvige Straße nach Iboih, ausgestiegen, durch das Tor getreten, über den Hügel den Pfad zum Rubiah Tirta Dive Shop mit klopfendem Herzen gegangen... und, würde noch etwas wieder zu erkennen sein?
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Bucht von Iboih |
Der Blick öffnet sich über eine Wiese und den kleinen Strand – und alles sieht so vertraut aus! Die Gebäude haben sich geringfügig verändert, doch alles ist immer noch so klein, überschaubar und wirkt familiär. Kein Wunder allerdings wenn man weiß, dass der gesamte Strand mit all seinen Restaurants und Bungalows von einem großen Clan betrieben wird und jeder ist mit jedem über die eine oder andere Ecke verwandt. Auf der Suche nach der geeigneten Bleibe kamen wir an Fatimas Restaurant vorbei, wo wir bei unserem letzten, fünfwöchigen Aufenthalt vor acht Jahren mit Blick auf die unterhalb gelegene Bucht wunderschöne und lustige Stunden mit vielen netten Leuten verbracht hatten.
Doch nun liegt es verwaist da: Fatima hat nach dem Tsunami nicht wieder eröffnet und es wird lediglich zum Wäsche trocknen genutzt – ein trauriger Anblick. In Fatimas Augen lag erstmal gar kein Wiedererkennen und auch als ich sie ansprach, wusste sie nicht mehr, wer ich bin. Sie entschuldigte sich und erklärte, sie sei eben schon so alt und vergesslich – mit 62 Jahren auch kein Wunder, meinte sie. So unterschiedlich, was 'alt' in verschiedenen Kulturen bedeutet, hm?
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Icud |
Am Ende des Pfades fanden wir einen Bungalow, in dem wir uns für die kommenden zwei Wochen sehr wohl fühlen sollten. Wir verbrachten viel Zeit schaukelnd in den Hängematten und auch ab und zu im Meer – doch wenn man weiß in welchem Zustand die Korallen vor 8 bzw. 13 Jahren waren, den reißen die momentanen Überreste nicht mehr ins Wasser: der Tsunami, die Zunahme an Besuchern und nicht zuletzt die aktuelle Wassererwärmung tun ihnen einfach nicht gut...
Es dauerte nicht lang und Fatima begann sich an mich zu erinnern und entschuldigte sich von nun an jedes Mal, wenn wir uns begegneten, dass sie mich nicht gleich erkannt hatte, es war ihr so unangenehm!
Da dem Bernie nicht der Sinn nach Tauchen stand – er hatte bei den letzten Malen schon alles gesehen, was es zu sehen gibt, und das mehrfach – entschlossen wir uns trotz enorm hohem Wohlfühlfaktor, die Insel zu verlassen und neue Wege zu beschreiten.
Ein ganzer Tag verging mit verschiedenen Abschieden und als wir am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang das Boot bestiegen, das uns zum Taxi bringen sollte, brach's mir schier das Herz und ich schluchzte die ganze Stunde bis zum Hafen durch.
Pulau Weh wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen behalten.
Einen Tag wollten wir noch in Banda Aceh verbringen, bevor es in das Gayo-Hochland gehen sollte. Wir besuchten die Baiturrahman Moschee, die als einziges Gebäude nahezu unversehrt den Tsunami überstanden hatte. Und dort wurde ich schnell auf andere Gedanken gebracht!
Wir trafen die Jungs vom „Metro Bikeclub“, die sich auf ihren Mopeds auf eine Sumatra-Tour begeben hatten: von Metro ganz im Süden, waren sie die rund 2000km nach Pulau Weh, an den nördlichsten Punkt Sumatras – und damit auch Indonesiens – gefahren; da nur wenig Geld in den Taschen, schliefen sie da wo man sie ließ auf dem Boden. Nun, da sie ihr Ziel erreicht hatten, waren sie in Hochstimmung, stolz auf sich und verbreiteten richtig gute Laune. Doch auch die anderen Menschen in der Moschee waren sehr freundlich und ich war ein willkommenes Foto-Accessoire für die einheimischen Pilgerinnen!
Dann ging es hinauf, ins Hochland, in eines der Kaffee-Anbaugebiete Sumatras. Doch das war für uns vor allem das Tor zum westlichen Gebiet des Gunung Leuser Nationalparks wo wilde Orang Utans leben. Im Dorf Ketambe fanden wir einen sehr schöne Unterkunft bei einer Familie, die Bungalows in einem gepflegten Garten mit Rasen (!) unterhielt. Bereits von unserer Veranda aus konnten wir Thomas-Leaf Affen und Makkaken beobachten; doch bei unseren Exkursionen sahen wir dann auch die orange-braunen Zotteltiere mit den klugen Augen. Eine Orang Utan Mutter schien uns ganz stolz ihr Baby zu präsentieren, so wie sie ohne Scheu, in den verschiedensten Stellungen, von den Ästen schaukelte.
Die Ibu kochte das beste indonesische family food, das man sich vorstellen kann, u.a. mit Zutaten aus dem Dschungel, von denen ich bislang noch gar nichts gewusst hatte.
Doch über diesem Naturparadies lauert die Gefahr: seitdem Friedensabkommen zwischen den Rebellen der GAM und der Regierung ist der Urwald nicht mehr tabu: vorher hatten sich dort die Rebellen versteckt und sich zum Abholzen hinein zu wagen war zu gefährlich. Nun gibt es zwar einen Ranger, doch der ist nicht gut bezahlt und mit der in Indonesien leider nur allzu üblichen Korruption lässt er sich gegen Geld in die Stadt schicken – und dann ertönen die Kettensägen. Die Zeit wird zeigen, wie lange es eines der letzten Regenwald-Gebiete Asiens noch geben wird...
Auf dem Weg nach Berastagi war es dann bereits komplett vorbei mit grünen, weißstämmigen Urwaldbäumen: schier endlos zogen sich auf abgerodetem Waldgebiet die Gen-Maisfelder und ein Schilderwald bekundete, welche Sorte angebaut und mit den entsprechenden Pestiziden und Herbiziden behandelt wird. Ein Graus! Vor allem wenn man weiß, wie die armen Bauern von den Gen-Konzernen über den Tisch gezogen werden: höhere Erträge werden versprochen, die es das erste Jahr auch tatsächlich gibt. Doch dann klappt das nur noch, wenn kontinuierlich mehr und mehr gespritzt wird; das ist teuer, vergiftet die Böden und irgendwann wächst gar nichts mehr.
In Berastagi kamen wir zum Glück drei Wochen vor Ausbruch des Gunung Sinabungs an und konnten ungehindert und in guter Luft den Gunung Sibayak besteigen, den kleineren aber ebenfalls noch aktiven Schwester-Vulkan. Auf knapp 2000m fegte ein stürmischer Wind und aus den Gesteinsspalten trat unter enormen Druck tösend Gas aus, was an laufende Flugzeugturbinen erinnerte – sehr beeindruckend!
Sehr neugierig waren wir schon auf Tangkahan, einen kleinen Ort am Rande des Gunung Leuser Nationalparks (diesmal auf der östlichen Seite), von dem wir schon viel Gutes gehört hatten. Unberührte Natur, einen schönen Fluss und Elefanten sollte es dort geben...
Von Medan, der Hauptstadt Sumatras, machten wir uns mit dem Bus auf die fünfstündige Anreise, die - nachdem wir das Stadtgebiet Medan-Binjai verlassen hatten (dauert auch schon 1 ½ Std.) – vor allem durch trostlose Palmöl-Plantagen auf einer von Schlaglöchern durchzogenen Schotterstraße führte. Der Busfahrer versuchte die Unannehmlichkeiten der Fahrt durch Musik wieder gut zu machen, die bis zum Anschlag aufgedreht war, dass die überdimensionierten Bassboxen übersteuert jaulten.
Ziemlich gerädert am staubigen Parkplatz angekommen hieß es dann nur noch uns und das Gepäck zum tiefer gelegenen Fluss bringen und mit einem einfachen Floß,
welches uns ganz ohne Motor aber durch ein simples aber sehr effektives Seilsystem hinüber setzen ließ. Auf der anderen Seite wieder hinauf und über kleine Pfade gewandert kamen wir zu unserer Unterkunft, großzügigen Bungalows mit großen Terrassen und einem oberhalb des Flusses gebauten Restaurants, von dem wir eine fantastische Aussicht auf den sungai Buluh genossen.
In dem war es wunderbar schwimmen, das Wasser nicht zu kalt aber doch herrlich erfrischend und den kleinen Kiesstrand hatten wir meist für uns alleine.
„Uns“ beinhaltet in dem Fall auch Marianne und Yuna, eine Französin mit ihrer erwachsenen Tochter, mit denen wir uns sehr gut verstanden und eine Menge Spaß hatten. Wir erkundeten den Fluss auch stromaufwärts und kamen in eine wahres Paradies, mit Schluchten, Wasserfällen und hatten zeitweise mit wilden Strömungen zu kämpfen.
Es war nicht leicht, sich von Tangkahan zu trennen, doch bevor es hieß Abschied von Sumatra zu nehmen wollte ich doch unbedingt Bukit Lawang nochmal sehen: den Ort, in den ich mich bei meinem ersten Asien-Aufenthalt so sehr verliebt hatte und mich den Entschluss fassen ließ, auf eine längere Reise zu gehen.
Durch eine verheerende Flutwelle im November 2003 war der Ort allerdings fast vollkommen zerstört worden und ca. ¼ der Einwohner waren ums Leben gekommen. Insofern war der Weg dorthin von sehr gemischten Gefühlen begleitet: würde ich überhaupt etwas wieder erkennen? In bekannte Gesichter blicken?
Den Weg durchs Dorf hinauf zum Flussoberlauf, wo ich und meine Freundinnen gewohnt hatten, legte ich wie betäubt zurück: wäre da nicht der reißende Bohorok gewesen, der sich nach Überflutung wieder in sein Bett zurück gezogen hatte, wäre ich mir sicher gewesen, an einem neuen Ort zu sein. Nichts mehr stand da, wo es vorher war und statt kleinen, gemütlichen Geschäften aus Holz war nun alles aus Beton hingeklotzt worden. Weiter flussaufwärts wurde es besser, dort verwenden die Guesthouse-Besitzer wieder Bambus und Holz – dennoch: alles neu, kaum etwas vertraut.
Doch dann, der erste Spaziergang und mir wird schon entgegen gewunken und gestrahlt.
Danach geht es Schlag auf Schlag, obwohl wir keine ganzen drei Tage im Dorf sind, treffe ich unglaublich viele Menschen wieder, die ich von vor über 14 Jahren kenne und bekomme erzählt, was aus den anderen geworden ist, die nicht mehr in Bukit Lawang leben. Auch Überlebende erzählen mir ihre Geschichte, wie sie ihre Familien verloren haben und auch nach sieben Jahren bebt die Stimme und zittern die Hände. Doch das Leben muss weiter gehen, da sind sie sich einig und ich bin sehr bewegt von der Tapferkeit der Menschen, die es sich auch gar nicht leisten können, sich unterkriegen zu lassen.
Und dann ist unsere Zeit in Sumatra zu Ende: ein großer Abschied steht bevor, meinem Gefühl nach für immer. Das ist schwer macht aber auch Platz für Neues...
ja, auf neuen Wegen soll es weiter gehen!
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