Java 2004 - dari Jakarta ke Solo

Der Bernie war bereits Ende Januar gestartet, die 4 Wochen bis zu meinem Abflug wollten erst gar nicht vergehen, doch mit der Zeit wandelte sich die schwer auszuhaltende Ungeduld in beflügelnde Euphorie (oder heißt das jetzt 'Oifori' nach der neuen Rechtschreibreform?!) die mir sehr viel Energie gab. Im Endeffekt war es dann auch schön, alle die Reise zu beginnen, festzustellen, dass ich auch noch ohne Bernhard in der Lage bin, meinen Weg nach Asien zu finden und beim häufigen Umsteigen keinen Flieger zu verpassen! Die 4 Std. in Dubai waren allerdings schon ein bisschen lang, shopping war zu Beginn der Reise auf keinen Fall drin und mal eben eine rauchen zu gehen, verging mir angesichts der winzigen Plexiglaskabinen, in denen sich auf 8 qm 15 Raucher drängen – das war mir doch zu dicke Luft. In Dubai stieg dann eine Hadj-Pilgergruppe aus Indonesien ein, welche nun dreiviertel des Flugzeugs füllte und ob ihrer vollbrachten Mission eine angenehme und friedliche Atmosphäre verströmte. In meiner Sitzreihe saßen lauter freundliche Frauen, mit welchen ich gleich mal meine Indonesisch-Kenntnisse wieder auffrischen konnte und auch einiges über die Bedingungen einer Hadj-Fahrt erfuhr. Etwas später stellte sich dann heraus, dass vor mir ein in Italien geborener Indonesier, welcher in Deutschland aufgewachsen ist und lebt, saß, welcher gerade auf dem Weg zu seiner Verlobten in Jakarta war, welche Indonesierin ist und bei der deutschen Botschaft arbeitet. Und kennen gelernt haben sich die beiden wiederum in Deutschland. Ich bin immer wieder entzückt, auf welche Umwege man sich kennen lernen und unsterblich in einander verlieben kann! Auf jeden Fall war es auch ganz interessant, sich mit ihm über Indonesien zu unterhalten, da er wieder eine ganz eigene Sichtweise auf die Vorgänge im Land hat (Politik, Gesellschaft, Religion etc.) Ihr seht, bei dem weiteren Flugverlauf über Columbo und Singapore nach Jakarta bestand kaum die Gefahr, dass mir langweilig hätte werden können!

Nach knapp 24 Std. unterwegs landete ich am Abend in Jakarta, wo mich der Bernie am Flughafen abholen sollte. Das neu eingeführte Visa on Arrival (US$ 25, gültig für 30 Tage) zu erwerben bereitete keine Probleme, doch der Immigration-Officer bei dem Schalter, an dem ich mich gerade begonnen hatte anzustellen, war bei einer anderen Touristin vor mir entweder sehr genau, wollte sie sekkieren oder war auf Schmiergeld aus, jedenfalls dauerte es ewig und er ließ sich neben Pass, Flugtickets auch noch Geld und was weiß ich noch alles zeigen. Ich beschloss, das ich das nicht brauche, schließlich hatte ich heute noch besseres vor! So wechselte ich an einen anderen Schalter, bei welchem mich der Officer gleich an den Indonesiern vorbei nach vorne holte, einen kurzen Blick in meinen Pass warf, Stempel rein und das war's!

Nach der Gepäckausgabe e hatte ich die Möglichkeit, links oder rechts den Flughafen zu verlassen: beide Wege waren natürlich mit Menschentrauben gesäumt, wohin also? Doch bevor ich mir weiter den Kopf zerbrechen konnte sah ich schon vor mir einen Blondschopf durch die offenen Rückwände der Sixt-Autovermietung winken und mir heftig gestikulierend den Weg weisen. Ja, das war ein sehr, sehr schönes Wiedersehen! Der Bernhard strahlte von einem Ohr bis zum anderen und begann mir gleich seine Erlebnisse zu erzählen, während ich einfach nur froh war, da zu sein. Jakarta wird oft als Moloch beschrieben, stinkend und mit mörderischem Verkehr, aber ich Medan (Hauptstadt von Sumatra) gut kenne, konnte mich das nicht mehr schockieren. Nach einem Begrüßungszigarettchen in der feucht warmen Nachtluft, umgeben von lieblich duftenden Kretek (Nelkenzigaretten-) Schwaden, stiegen wir in den Flughafen Bus, welcher uns für umgerechnet je € 1 in die Innenstadt brachte. Obwohl ich das erste Mal in Jakarta war, verspürte ich kein Gefühl der Fremdheit, sondern im Gegenteil, als würde ich heim kommen und hätte meine Reise nur kurz unterbrochen um sie jetzt wieder aufzunehmen.

Bernie hatte auf der Jalan Jaksa ein herrlich ruhiges Zimmer gefunden, gut zum ankommen in jeglicher Hinsicht. Nach dem Essen gingen wir noch eine Runde, (wobei mir vor den flüchtenden ca. 5cm großen Kakerlaken doch immer wieder graust), an zahlreichen Essensständen vorbei, die erste Schachtel Kretek besorgen und einen ersten indonesischen Snack essen (gebratener Tofu mit einer frischen Chilischote dazu) was mir mein Magen doch für kurze Zeit übel nahm.

Nach einem Akklimatisierungstag fuhren wir mit dem Zug in der 1.Klasse nach Bandung weiter, Berge hinauf, an kunstvoll angelegten Reisterrassen vorbei und Dutzende von Wasserfällen, die sich die Berge hinab stürzten. Die Landschaft war so wunderschön, dass wir beschlossen, doch nicht gleich am nächsten Tag weiter zufahren, sondern eine weitere Nacht zu bleiben und uns die Umgebung noch genauer anzuschauen. Leider machte uns der Regen einen Strich durch die Rechnung und wir fuhren nur zum Bukit Dago, wo man in einem „Thee Huis“ aus der Kolonialzeit einen schönen Blick über die Stadt hat – und welches, mit seinen einzelnen Pavillons (wenn auch ohne Wände) ein beliebter Ort für indonesische Liebespaare zu sein scheint. Wobei Händchen halten schon das Aufregendste ist, was bei einem solchen Treffen in der Öffentlichkeit passieren kann! Unser Hotel war ebenfalls aus der Kolonialzeit, mit hohen Wänden, Lamellenflügeltüren mit bunten Scheiben und vielen Schwarzweiß-Fotografien aus früheren Tagen. Renoviert wäre es ein Traum, aber wer soll das Geld dafür aufbringen?

Weiter ging es mit dem Zug nach Banjar, vom Bahnhof mit einer Fahrrad-Rikscha zur Busstation, von dort mit einem Minibus nach Pandangaran (an der Südküste Javas), dann weiter mit einem Bemo (Mini-Mini-Bus) nach Cikembulan, wo wir auf Motorrad-Taxis stiegen, die uns zu unserem Ziel brachten, einem kleinen Guesthouse am Strand. Wir waren die einzigen Gäste, bekamen das schönste Zimmer im ersten Stock eines feinen Bungalows mit großer Terrasse und toll gestalteten Bad, in welchem ein 2m langer Gecko aus Mosaiken die Wand ziert. Agus, der Besitzer, ist Maler und Bildhauer und dementsprechende liebevoll ist die kleine Anlage gestaltet. Bis zur großen Wirtschaftskrise von 1997 war dieser Standabschnitt ein beliebtes Ziel für Traveller, das „Delta Gecko“ und seine Nachbarn hatten viele Gäste, in einem Fotoalbum fanden wir sogar Bilder von Andy (den wir auf Pulau Weh kennen gelernt hatten), der hier einige Wochen verbracht hatte. Wir hingegen hatten es recht ruhig, Zeit für Hängematten liegen und lesen und noch ein bisschen mehr 'ankommen'. Wir liehen uns aber auch ein Moped aus und erkundeten die Umgebung, wobei wir auch eine abenteuerliche (weil steil, Schotter, Schlaglöcher, keine Wegweiser) Tour auf den Gunung (=Berg) Tiga unternahmen, von welchem wir einen tollen Blick bis zum Meer hatten. Bei einem Ausflug nach Pandangaran trafen wir Ninette aus Berlin wieder, welche wir in Jakarta kennen gelernt hatten und beschlossen, gemeinsam zum Dieng Plateau weiter zu reisen.

Von Wonosobo (900m) aus fuhren wir mit einem Bus, ein welchem wirklich JEDER Winkel zum Verstauen von Waren und Passagieren genutzt worden war, los. Bernie teilte mir nach kurzer Zeit mit, dass er es auf dem Rückweg vorziehen werde, die 26km von Dieng nach Wonosobo zu Fuß zu gehen, bevor er nochmals so eine Tortur auf sich nähme, da es ihm in dem engen Sitz die Kniescheiben schmerzhaft gegen den Vordersitz drückte. Ich schlug vor, er solle sich schräg hinsetzen und ich begebe mich auf seinen Schoß, so hätten wir es beide bequemer. Unser Umsitz-Manöver trug zur allgemeinen Heiterkeit im Bus bei und ermöglichte und doch noch eine angenehme Weiterreise! In Dieng regnete es, wie konnte es auch anders sein, schließlich reisten wir Ende der Regenzeit, wobei die Betonung nicht auf 'Ende' sondern auf 'Regenzeit' lag...

Auf dem Dieng Plateau (2100m) ist JEDE Fläche landwirtschaftlich genutzt und so ziehen sich kleine Terrassenfelder, auf denen Kartoffeln, Lauch Zwiebeln, Kohl, Paprika u.a. angebaut werden auch den steilsten Hang hinauf. Vor der Arbeit der Menschen hier, diese Felder erst einmal anzulegen und dann zu bebauen und zu pflegen, hatten wir großen Respekt. Schließlich können keine Maschinen und noch nicht einmal Tiere zur Hilfe eingesetzt werden, überall müssen die Bauern zu Fuß hinauf steigen und die Ernte eigenhändig herunter tragen.

Am nächsten Tag regnete es zumindest nicht und wir beschlossen eine Wanderung zu machen. Vorbei an fleißigen Bauern und entlang einer geothermischen Pipeline gingen wir Richtung Sembungan, dem höchst gelegenen Dorf Javas (2300m). Da der Weg in unserer Realität doch etwas länger dauerte, als im Reiseführer beschrieben, waren wir über eine Mitfahrgelegenheit bei einem indonesischen Ingenieur recht froh! Dieser arbeitet für das Energiekraftwerk, welches die heißen Quellen des Vulkanplateaus zur Energiegewinnung nutzt. Die großen Röhren, welche nun über die Landschaft verteilt sind sehen zugegebener maßen nicht besonders attraktiv aus, aber ich finde es dennoch positiv, dass die natürlichen Ressourcen genutzt werden.

In Sembungan riefen uns die Schulkinder, die gerade Pause hatten „hello-hello“ zu und wollten fotografiert werden. Wir hörten Musik und dachten erst, es gäbe vielleicht gerade eine Hochzeit, doch als wir näher kamen, sahen wir ein Orchester unter freiem Himmel und bei genauerer Nachfrage stellte sich heraus, dass gerade für eine Ramayana Vorführung geprobt wurde. Nach einem kurzen indonesischen Plausch wurde ich vom Kapellmeister vor die Gruppe gebeten, mir der 1m lange Taktstock überreicht und ich musste das Orchester dirigieren und im Takt marschieren! Nun ja, was tut man nicht alles zur Völkerverständigung... Es war zwar ein wenig peinlich, aber auch lustig und alle waren sehr nett und mit vollem Ernst bei der Sache. Wir gingen nach einiger Zeit zu unserem eigentlichen Ziel weiter, auf den Gunung Sikunir. Nachdem es den ganzen Vormittag bewölkt gewesen war, kam doch tatsächlich am Gipfel die Sonne heraus, die Wolken rissen auf und wir hatten einen wunderschönen Blick über die Berge! Auf dem Rückweg besichtigten wir noch die letzten Hindutempel aus dem 8. und 9.Jahrhundert, die einen jedoch nicht mehr vom Hocker reißen, wenn man einmal in Indien war. Schön fand ich allerdings, dass obwohl das Dieng Plateau streng moslemisch ist, an den Tempeln Blumenopfer zu finden waren. In Indonesien finden sich viele Beispiele, wo sich Islam mit animistischer oder vor islamischen Kulten mischt, denn mit den Göttern darf man es sich eben nicht verscherzen – sicher ist sicher! Faszinierende hingegen war für uns der Kawah Sikidang, ein großer Vulkankrater, gefüllt mit brodelndem, heißen Wasser, der Dampfschwaden über die Ebene schickte. Nach 6 Std. Wanderung mit nur kurzen Pausen (man wusste ja nie, wann es wieder regnen wird), gelangten wir wieder zu unserem Guesthouse, tranken schweigend eine Cola (zum reden waren wir nicht mehr fähig) und genossen dann eine heiße Dusche.

Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns von diesem wunderschönen Ort, da wir ja diese Reise auch deswegen gemacht hatten, um dem österreichischen Winter zu entfliehen, aber in Dieng ist es aufgrund der Höhe doch eher frisch. So begaben wir uns zum Borobodur, dessen Anblick ich seit meiner ersten Indonesien Reise herbei gesehnt habe. Der Borobodur ist ein buddhistischer Tempel, eigentlich eine gigantische Stupa mit 10 Plattformen (wobei jede davon eine andere Bewusstseinsebene darstellt) und wurde vermutlich von 750 bis 840 n. Chr. erbaut. Der Ort selbst ist schrecklich, durch Touristen (einheimische und ausländische) versaut, wie meistens, wenn etwas eine langjährige Attraktion beherbergt. Es war letztendlich schön, ihn endlich sehen zu dürfen, wenn auch die Freude durch das drum herum etwas geschmälert worden war.

Weiter ging es nach Solo (Surakarta), wo uns auch wieder heftiger Regen empfing. Wir fanden ein sehr nettes Guesthouse und erholten uns etwas von den letzten Tagen, in denen wir doch viel unterwegs gewesen und gesehen hatten. Der nächste Tag begann mit Sonnenschein – um gegen Mittag doch wieder in Regen über zu gehen... das nervte mit der Zeit und für die Attraktionen in und um Solo wäre etwas Sonne schon ganz fein gewesen. Bei Regen in der Stadt zu hocken hingegen wurde ziemlich fad. Wir beschlossen unsere Pläne radikal zu ändern: nicht wie geplant zum Mt. Bromo fahren (wo man bei diesem Wetter auch nicht viel Spaß gehabt hätte) und von dort aus weiter bis Ost-Java und von dort mit der Fähre nach Bali, sondern die schnellere Variante. Und so gingen wir ins nächstbeste Reisebüro, buchten einen Flug nach Denpasar, einen Minibus-Transport vom Guesthouse zum Flughafen in Jogja gleich dazu und waren alle drei im Handumdrehen sehr glücklich – in Vorfreude auf die Insel der Götter.

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